Katja Adler

FAZ-Gastbeitrag: Eine letzte Chance für die Ampel

FAZ-Artikel

OBERURSEL Der nächste Haushalt entscheidet über die Zukunft der Koalition in Berlin / Ein Gastbeitrag der FDP-Bundestagsabgeordneten Katja Adler

Als ich 2010 in die FDP eingetreten bin, gab es viele Gründe. Ich hatte mich als Mutter für das Thema Kinderbetreuung, das zu dieser Zeit noch völlig unterbelichtet war, engagiert. denn Frauen sollten auch mit eigenen Kindern für sich selbst sorgen, sich selbst verwirklichen können. Und es gab weitere Gründe, die eng mit der Freiheit zum eigenen Handeln verbunden waren. Aber ein wichtiger Grund war und ist, dass wir Liberale für eine Wirtschaftspolitik stehen, die die Grundlage des Wohlstands unseres Landes darstellt. Die großen Wirtschaftsminister der FDP mit ihrer klaren Ordnungspolitik haben mich immer fasziniert and inspiriert.

Eine Koalition wie die Ampel, mit den Sozialdemokraten und Bündnisgrünen in einem Verbund mit uns Liberalen ist natürlich von der Grundkonstellation schon anspruchsvoll. Denn hier haben sich drei Parteien mit einem kaum erkennbaren programmatischen Kern zusammengefunden, um Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Mehr als eine Dekade Reformstau seit der Agenda 2010 zeigen ihre Wirkung. Es war daher richtig, sich nach der letzten Bundestagswahl der Verantwortung zu stellen und sie gerade in diesen herausfordernden wirtschaftlichen Zeiten für unser Land zu übernehmen. Um dieser Verantwortung aber auch gerecht zu werden, muss eine Koalition die großen Aufgaben dieser Zeit bewältigen. Tut sie dies nicht, hat sie keine Daseinsberechtigung. Für mich ist klar, der nächste Haushalt entscheidet über die Zukunft der Ampel.

Eine zentrale Frage wird dabei zu beantworten sein: Wird die Schuldenbremse eingehalten? Dieses Thema ist nicht nur nach dem Grundgesetz für uns Liberale unverhandelbar, es ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Vor allem aber muss entschieden werden, ob der künftige Haushalt genug Spielraum und Anreize bietet, um für unsere Wirtschaft die richtigen Impulse wie Senkungen bei Unternehmenssteuern und wirklichen Bürokratieabbau zu forcieren. Ohne Wirtschaftswachstum kein Sozialstaat.

2022 waren zum Beispiel die deutschen Unternehmenssteuern die höchsten im G-7-Vergleich. Das kann so nicht bleiben. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass wir wieder weg vom Verteilen hin zum Erwirtschaften des Wohlstandes kommen müssen. Wir brauchen eine Wirtschaftswende und eine neue Wirtschaftspolitik, die gekennzeichnet ist durch ein „weg vom reinen Konsum hin zu Innovation und Investition“.

Natürlich müssen auch wir uns in dieser Koalition selbst hinterfragen. Es gilt nach wie vor, dass das, was man gemacht und entschieden hat, auf einen kritischen Prüfstand gehört. Haben wir nun Beispiel mit dem Bürgergeld das erreicht, was wir erreichen wollten? Sind Anreizwirkung für den Arbeitsmarkt und auch das Thema Lohnabstandsgebot in unserem Bürgergeld-Gesetz richtig positioniert?

In Deutschland sind noch immer rund 2,8 Millionen Menschen arbeitslos, was einer Quote von etwa sechs Prozent entspricht - und dies bei 700.000 offenen Stellen, die offiziell gemeldet sind, und wahrscheinlich zwei Millionen, die laut Schätzungen faktisch existieren. Dies kann nicht sein. Nach Gesprächen mit vielen Vertretern aus der ,Wirtschaft, mit Unternehmern und selbst mit Vertretern von Sozialverbänden habe ich da große Zweifel. Damit bin ich nicht allein. Deshalb gilt es auch hier: Man muss die Kraft haben, Fehler, wie beim Bürgergeld, zu korrigieren.

Und man muss die Einsicht haben, dass wir uns nicht nun in einem gesellschaftspolitischen, sondern auch in einem wirtschaftspolitischen Kulturkampf befinden. Dabei geht es beim gesellschaftspolitischen Kulturkampf zum Beispiel um das Demokratiefördergesetz, das die Frage aufwirft, ob es die Aufgabe des Bundes sein kann und darf, „Demokratie zu fördern“? Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat hierzu bereits eine Antwort geliefert, als er dies verneinte.

Wie soll zudem bedrohlichen Einseitigkeiten einer definitorischen Auslegung des Demokratiebegriffes entgegnet werden, wenn ausschließlich ‚Rechtsextremismus in den Blick genommen werden, die Gefahren für unser freiheitliches demokratisches System von links oder aus dem religiösen islamistischen Fundamentalismus aber völlig übersehen werden? Mit einem Demokratiefördergesetz, wie es derzeit vorliegt, schaffen wir nicht mehr Demokratie, sondern lediglich die finanzielle Grundlage einseitiger NGO-Förderungen. Warum unsere Koalitionspartner so vehement an dieser Gesetzesplanung festhalten, liegt daher schon fast auf der Hand.

Unseren wirtschaftspolitischen Kulturkampf tragen wir gerade in der Auseinandersetzung um die Ausrichtung unserer Wirtschaft nach den Maximen der Sozialen Marktwirtschaft oder nach staatsplanerischen Ideen und Vorgaben aus. Dem Staat die Kompetenz und die nahezu unbeschränkte finanzielle Macht der wirtschaftlichen Lenkungskraft zuschreiben zu wollen ist schon einmal eindrücklich gescheitert. Ein solches Experiment braucht Deutschland nicht noch einmal. Attraktive Rahmenbedingungen für Investitionen anstatt Staatsinterventionismus müssen das Ziel sein.

Der Haushaltsaufstellungsbeschluss und die mit den Ministerien zu vereinbarenden Eckwerte werden schnell zeigen, ob die Bereitschaft besteht, die richtigen Weichen zu stellen, damit diese Koalition eine Zukunft haben kann. Schließlich geht es nicht um die Ampel, es geht um unser Land. Bekommen wir hier keine gemeinsame Lösung mit den genannten Prioritäten hin, wird diese Koalition keine Zukunft haben können, und sie muss den Weg für Neuwahlen frei machen. Solange die Bündnisgrünen an ihrem eingeschlagenen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Kurs festhalten, kann ich mir keine erneute Koalition mit ihnen vorstellen.

Es ist aber der Schweiß des Edlen wert, alles zu versuchen, die Weichen auf „Vorfahrt für die Wirtschaft“ zu stellen. Die Ampel könnte sich damit verdient für unter Land machen.

FAZ-Artikel - 26.03.2024